h a u k e p r e u s s . d e - Geschichten & Horizonte | |||||||||||
Hinter den Sternen.Ich weiß nicht so genau, wie es passiert war, aber als ich eines Morgens die Augen öffnete, sah ich nicht die Decke meiner Hamburger Wohnung. Zwar kam mir der Anblick durchaus bekannt vor, der Haken daran war allerdings, dass ich den Ort aus dem Fernsehen kannte, und zwar aus einer Serie, die in vierhundert Jahren spielt. Ich kniff mir in den Arm, doch die Situation blieb unverändert. So musste ich mir also überlegen, was ich mit dieser Situation anfangen sollte. Ich beschloss schnell, diesen nicht geplanten Urlaub zu nutzen und mich auf der Station etwas umzutun.“Computer, wie spät ist es?” Sonnenschein gab es hier bekanntlich nicht. “Und mach mal Licht an.“ “Es ist neun Uhr dreiundzwanzig.” Das Licht flammte auf. “Hey, ich bin hier doch nicht bei Filmaufnahmen. Ein bisschen dunkler, wenn’s geht.” Na, es ging doch. Ich blickte mich in der Kabine um. Es war nicht gerade das Quartier des Captains, aber ich hatte schon unwirtlichere Orte gesehen. Ein breites Bett, auf dem ich wohl gut genug geschlafen haben musste, wenn ich vier Jahrhunderte verpasst hatte, eine Sitzgarnitur, eine Tür, die vermutlich ins Bad führte, und der Ausgang. Keine Küche? Klar, dazu gab es ja Replikatoren. Cool. Ich ging zu dem Gerät. “Kaffee, kolumbianisch, schwarz, 83 Grad Celcius.” Die gefüllte Tasse materialisierte sich vor mir. “Dankeschön” Ich nippte, und ich musste zugeben, dass er tatsächlich wie ein guter Kaffee schmeckte. Kein Grund also, dem Computer Lektionen über richtigen Kaffee zu geben, aber das war ja auch eine andere Geschichte. Mir fiel ein, dass ich bei Gelegenheit unbedingt einen Raghdadjino probieren musste. “Und ein Lachsbrötchen.” Ich kam mir zwar ein bisschen blöd vor, gegen eine Wand zu sprechen, aber daran würde ich mich schon gewöhnen. Ich biss in das Brötchen, auch es schmeckte hervorragend. Nicht schlecht, die Zukunft, und alles kostenlos. Obwohl, so etwas Latinum wäre nicht verkehrt. Ich ging zu meiner Kleidung, die unglücklicherweise noch die alte aus dem 20. Jahrhundert war. Kein lumpiger Streifen Latinum in meinen Hosentaschen, doch mein Rucksack war so schwer, dass ich ihn kaum hochbekam. Prall gefüllt mit glänzenden Barren. Hatte ich gestern im “Quarks” gewonnen? War ich gestern schon hier? Werd ich wohl gewesen sein, auch wenn ich im Jahre 1998 ins Bett gegangen war. Na prima. Dann konnte ich mir von Garak einen neuen Anzug machen lassen, obwohl... das ging ja auch mit dem Replikator. Was sollte es denn sein, etwas klassisches, oder etwas modernes, besser gesagt zeitgemäßes? “Computer, zeige mir bitte eine Auswahl an Kleidungsstücken, die du replizieren kannst.” “Es gibt viermillionendreihundertvierundvierzigtausendsechshundertundzwölf mögliche Bekleidungsstücke. Bitte präzisieren sie.” “Erstens muss es Männerkleidung sein, und sollte entweder aus diesem Jahrhundert oder den letzten zehn Jahren des zwanzigsten Jahrhundert sein.” “Es bleiben vierundvierzigtausendzweihundertzehn Variationen.” Scheißding. “Na gut, dann mach mir schwarze Achtlochdocmartens, schwarze Socken, blaue Jeans und ein weißes T-Shirt mit der Aufschrift I don’t know what I’m doing here, but i feel fine. Ach und mach mir doch einen Raghdadjino, aber kipp ihn nicht über die Klamotten.” Ich zog mich an, und probierte dann den klingonischen Kaffee. Meine Herren, der haute mich aus den Socken, aber was konnte man auch anders bei einer Rasse erwarten, die sich beim Sex die Knochen bricht? Ich sah jetzt aus wie ein Tourist aus dem zwanzigsten Jahrhundert, aber das war ich ja schließlich auch. Ich ging noch kurz ins Bad, um mich frisch zu machen, und dann schickte ich mich an, die Station zu erkunden, und vielleicht auch ein paar Antworten zu finden. Ich trat in den Flur, der genau so schummrig beleuchtet war, wie ich es kannte. Ich ging aufs Geratewohl links den Gang entlang, ich hatte ja keine Ahnung, in welchem Teil ich mich befand. Im Habitatring, vermutete ich. Ich blickte aus dem Fenster auf die Sterne. Ich wusste gar nicht, in welcher Lage die Station sich befand. War noch Krieg mit dem Dominion, oder war dieser noch gar nicht ausgebrochen? Nun, ich würde es früh genug erfahren. Am Ende des Korridors war ein Turbolift. “Promenadendeck”, und der Lift setzte sich in Bewegung. Als sich die Türen öffneten, erblickte ich ein buntes Treiben. Klingonen und Kardassianer am Fernseher zu betrachten ist eine Sache, aber mit ihnen auf einer Raumstation herumzulaufen, war dann doch etwas anderes. Ich steuerte auf das “Quarks” zu, und sein Besitzer kam, hektisch gestikulierend, auf mich zugelaufen. “Was wollen sie denn schon wieder hier? Wollen sie mich schon wieder ruinieren?” “Habe ich das schon einmal getan?” “Und ob sie das haben! Sie haben gestern beim Dabo die Bank gesprengt! Na gut, dafür haben sie auch Unmengen andorianisches Ale getrunken. Aber trotzdem, wenn sie sich noch einmal an meinen Dabo-Tisch setzen, dann rufe ich den Constable.” “Das ist gar nicht nötig, Quark. Ich bin schon hier.” Odo stand neben uns. Ich hatte ihn nicht kommen gehört, aber das muss wohl an seiner Eigenschaft als Formwandler gelegen haben. “Gibt es ein Problem, Sir?” er sah mich aus seinen tiefliegenden Augen an. “Nein, Constable”, erwiderte ich. “Quark hat es nur nicht gefallen, dass ich gestern irgendwie seinen Dabo-Tisch ruiniert habe.” “Und das kann er nun mal nicht ausstehen, nicht war?” “Nein, natürlich nicht. Was würden sie sagen, wenn ein Gauner sämtliche ihrer Sicherheitsdateien löschen würde? Das würde ihnen wohl kaum gefallen.” “Und es würde nie passieren, weil ich mein Handwerk verstehe.” “Was soll das heißen, Odo?” “Hn. Das wissen sie wohl gut genug. Und was sie betrifft, Sir, so würde Captain Sisko sie gerne sprechen.” “Der Captain? Warum?” “Es gibt da ein paar Fragen über den Grund ihres Aufenthaltes hier.” “Fällt das nicht in ihren Aufgabenbereich, Odo?” “Da haben sie wohl recht, aber Captain Sisko stuft die Angelegenheit wichtiger ein. Seien sie bitte um elf Uhr in seinem Büro. Und sie, Quark, werden schon nicht an einem Abend pleite gehen. Und wenn doch, dann habe ich ein Problem weniger.” Er drehte sich um und ging in Richtung seines Büros. Na, da stand mir ja was bevor. Aber es konnte mir vielleicht einige Informationen vermitteln. In diesem Moment kamen Chief O’Brien und Doktor Beshir aus Quarks Holosuite, vom Kanufahren. “Oh, da ist ja unser Freund, der den Ferengi gestern zur Weißglut gebracht hat, na, das Ale gut vertragen?” “Hallo Miles und Julien. Klar, es geht mir prima. Wie war die Fahrt auf dem Shannon?” “Woher wissen sie, dass wir auf dem Shannon... ist ja egal, ich muss zur Arbeit. Bis später, Julien.” “Bis später, Chief.” “Und, hat sich Quark beruhigt? Er war ja ziemlich aufgebracht gestern Abend.” “Nun ja, er will mich an Odo ausliefern, wenn ich mich noch einmal an seinen Dabo-Tisch setze. Was den zwar kaum interessierte, aber ich vermute, dass man das als Quarks Achtung vor mir auffassen kann.” “Mit Sicherheit. Ich muss auf die Krankenstation. Wir sehen uns.” “Klar, Doktor.” Dax kam gerade um die Ecke. “Hallo! Wie geht’s ihnen heute morgen? Das war ja ein toller Abend gestern. Trinken wir einen Kaffee zusammen?” “Gerne, Jadzia.” Wir setzten uns an einen der kleinen runden Tische der Bar. “Sagen sie, haben sie eine Ahnung, warum Sisko mich sprechen will?” “Vielleicht will er ihnen danken, dass sie Quark fast ruiniert hätten?” “Glaub ich nicht, denn Odo erwähnte gerade, dass es mit meiner Anwesenheit im allgemeinen zu tun hätte.” “Nein, ich habe keine Ahnung. Aber sagen sie, woher stammt ihre Kleidung?” “Aus dem Replikator.” “Das ist klar, aber woher stammt das Design?” “Na ja, spätes 20. Jahrhundert. Mir ist gerade danach. Ich muss bei Gelegenheit im Computer nachsehen, ob es hier Aufzeichnungen von Bruce Springsteen gibt.” “Bruce Springsteen? Wer ist das?” “Ein Musiker vor vierhundert Jahren, den ich sehr verehre. Sie lieben doch auch vergessene Komponisten. Wenn ich ein Konzert von ihm erwische, begleiten sie mich?” “Nun, Worf ist zwar sehr eifersüchtig, aber ich überleg’s mir.” “Ach ja, ihr Gatte. Dennoch gilt die Einladung. Übrigens, sind die Holo-Suites hier die einzigen auf der Station, oder gibt es noch andere?” “Man muss leider dieser Ferengi-Kröte das Latinum in den Rachen werfen, um sich ein wenig zu entspannen.” “Also können auch keine Änderungen an den Programmen vorgenommen werden?” “Nur gegen eine geringe Gebühr freilich. Warum?” “Ach, ich weiß nicht genau, wie lange ich auf der Station bleiben werde, und da muss ich sehen, wie ich meine Freizeit verbringe.” “Was machen sie denn sonst?” “Ich bin Schriftsteller, weiß aber nicht so genau, ob ich hier Urlaub mache, oder arbeiten soll.” “Oh, ein Autor. Gibt’s was von ihnen in der Datenbank?” “Sicher, sehen sie mal nach.” Sie trank ihren Kaffee aus. “Ich muss auf die OPS. Benachrichtigen sie mich, wenn sie einen Termin für das Konzert haben.” “Mach ich. Bis später.” Gutaussehende Frau. Schade, dass sie mit Worf verheiratet war, aber einen Klingonen wollte ich lieber nicht zum Duell herausfordern, das wäre ziemlich ungesund. „Bluffe niemals einen Klingonen“ – Ferenghi-Erwerbsregel Nummer 50. Dass Jadzia nicht unbedingt wählerisch war, wusste ich allerdings spätestens, als sie erwähnte, dass sie zwischenzeitlich in Morn verliebt war. Ich meine, Morn ist einfach klasse, aber nicht direkt ein Herzensbrecher. Nun, war ja auch nicht relevant für mich. Ich trank meinen Raghdadjino aus, und gewöhnte mich langsam daran. Ich stand auf und ging zu Quark. “Was wollen sie schon wieder?” Er lehnte sich auf seinen Tresen. "Ich sagte ihnen doch schon...” “Ich weiß. Ich will auch nicht an ihrem langweiligen Dabo-Tisch. Was kostet es, wenn ich ein spezielles Holo-Programm möchte?” “Nun, das kommt darauf an. Aber ich warne sie, wenn sie es mit Dax sehen wollen, dann können sie ihre Beerdigung gleich mitbuchen. Mit Worf ist nicht zu spaßen.” “Ich weiß. Wie viel.” “Sieben Streifen, und sagen sie mir nicht, dass ich sie nicht gewarnt hätte.” “In Ordnung, ich melde mich bei ihnen. Und danke für ihre Fürsorge. Ich muss zu Sisko.” “Was will der Captain denn von ihnen?” “Weshalb fragen sie mich das? Sie wissen doch alles auf dieser Station.” Ich stand auf und ging in Richtung OPS. Major Kira kam mir entgegen. “Der Captain erwartet sie jetzt.” “Prima, ich war gerade auf dem Weg zu ihm. Haben sie eine Ahnung, worum es geht?” “Das wird Captain Sisko ihnen schon erzählen.” “Sie machen das aber auch spannend” Ich stieg die Treppe zum Büro des Stationskommandanten hinauf und klingelte an der Tür. “Herein, bitte.“ Sisko saß an seinem halbrunden Schreibtisch, den Baseball in seiner Hand. Er blickte mir direkt in die Augen. „Da sind sie ja. Setzen sie sich doch bitte.” “Danke, Captain. Ich hoffe, sie können mir endlich enthüllen, weshalb sie mich herzitiert haben.” „Nun, haben sie schon etwas von der Raum-Zeit-Polizei gehört? „Sicher“, entgegnete ich. „Und vermutlich hat mein unvermitteltes Auftreten hier die Kollegen auf den Plan gerufen?“ „Stimmt genau, und das kann ich denen auch mitnichten verdenken. Aber vielleicht können sie mir ja ein paar Antworten geben, bevor das Dezernat für Temporale Anomalien hier eintrifft.“ „Na ja, ich weiß ja selbst nicht, wie ich hierher gekommen bin. Ich bin hier heute morgen aufgewacht, und plötzlich schienen mich alle zu kennen, Beshir, O’Brien, Dax... und ich scheine mich auch an etwas zu erinnern, aber mehr so, als ob ich es schon einmal im Fernsehen gesehen hätte.“ Sisko zog die Stirn in Falten und massierte seinen Bart. Seine Augen durchbohrten mich, aber da ich zumindest in diesem Fall ein reines Gewissen hatte, konnte ich seinem Blick standhalten. Er seufzte, warf seinen Baseball hoch unter die Decke und fing ihn mit einer Hand wieder auf. „Also, ich werde ihnen erzählen, was ich bisher weiß. Versuchen sie vor dem Dezernat so glaubwürdig wie möglich zu wirken, ich kann ihnen da nicht helfen. Möchten sie etwas trinken?“ Ich bejahte, und der Captain drehte sich zum Replikator. „Zweimal Raghdadjino, heiß“, sagte er zu der Kommunikationseinheit, und sofort materialisierten sich zwei dampfende Glasgefäße in der Konsole. Sisko stand auf und brachte mir den Kaffee für starke Nerven. Ich nickte ihm zu, und er verschwand wieder hinter seinem Kommandotisch. Wir tranken beide einen Schluck, dann fuhr er fort. „Sie sind hier vor zwei Tagen auf der Station erschienen. In ähnlicher Kleidung, wie sie jetzt gerade tragen. Keiner hat gesehen, wie sie aus einem Frachter gestiegen sind, und Odo hat alle Passagierlisten überprüft. Auf keiner der Schiffe in den letzten Tagen ist jemand ihres Namens geführt, nicht einmal jemand, der von der Erde stammt.“ Ich nippte am Raghdadjino, und wartete, dass er fortfuhr. „Es gibt auch keine Transporterspuren, der Chief hat alles doppelt überprüft. Sie wurden von keinem der an Bord befindlichen Transporter hier materialisiert. Sie können auf den herkömmlichen Wegen nicht auf die Station gelangt sein – vielleicht sind sie über die Außenhülle gekrabbelt und haben sich in die Luftschleuse geschmuggelt...“ „...was man nicht gerade als herkömmlich bezeichnen würde“, erwiderte ich, unhöflich seinen Gedanken laut fortspinnend. „Das stimmt, und deshalb hätte ich sie schon lange von Odo in Gewahrsam nehmen lassen können, aber sie machen mir keinen bedrohlichen Eindruck, und außerdem freue ich mich über jeden, der Quark ein paar Streifen Latinum aus der Tasche zieht.“ Ich musste schmunzeln, denn das hatte Dax ja auch schon angedeutet. „Sie machen mir beim besten Willen keinen bedrohlichen Eindruck. Ich frage mich zwar, woher sie so viel über Dabo wissen, aber ansonsten passen sie meiner Meinung nicht so ganz in diese Zeit, in dieses Jahrhundert.“ „Dass ich mich beim Dabo auskenne, wusste ich ehrlich gesagt bis heute morgen auch nicht.“ Er blickte mich noch einmal durchdringend an. „Es kann meiner Ansicht nach nur eine temporale Anomalie gewesen sein, die sie hier her gebracht hat. Deswegen ist ja auch das Dezernat hier.“ „Und sie glauben, dass die in der Lage sein werden, die Sache aufzuklären?“ Sisko lächelte grimmig. Ich ahnte, woran er dachte. „Nun, sagen wir mal so, ich habe so meine Erfahrungen mit denen gemacht. Aber da sie direkt vom Oberkommando der Sternenflotte hergeschickt werden, müssen wir beide uns ihnen fügen, ob uns das gefällt oder nicht.“ Er warf noch einmal seinen Baseball in die Luft. „Das Dezernat wird in 30 Minuten mit dem Shuttle hier eintreffen. Ich rate ihnen, sich in der Zeit noch einmal alles vor Augen zu rufen, was in den letzten drei Tagen passiert ist. Außerdem sollten sie noch etwas essen – diese Gespräche können verdammt lang werden.“ Ich nickte, stand auf und ging auf die Automatiktür zu. Als sie sich mit einem Zischen öffnete, drehte ich mich noch einmal zu Sisko um. „Danke Captain, ich werde mir Mühe geben. Schließlich wüsste ich auch gerne, warum ich eigentlich hier bin – und wie ich wieder in meine richtige Zeit zurückkomme.“ Sisko hob die Hand, in der er den Baseball hielt, und entließ mich mit einer Kopfbewegung. Ich streunte über das Promenadendeck, sah mir ein paar der nicht sehr dicht stehenden Verkaufsstände an und überlegte, ob ich eine bajoranische Spezialität probieren oder mir lieber Replikator eine delikate Sushi-Platte oder vielleicht einen deftigen Teller Grünkohl ordern sollte. Nach einigem Herumgetippe an der Replikatoreinheit – mir ging langsam die Sprachsteuerung auf die Nerven – entschied ich mich dann für eine Meeresfrüchtepfanne mit reichlich Knoblauch. So machte ich mich zwar vielleicht nicht gerade bei meinem Inquisor beliebt, aber immerhin hatte ich ein wohliges Gefühl im Bauch, und das war mir in diesem Moment weitaus wichtiger. Als ich die letzten Calamarisarme verputzt hatte, tauchte wie aus dem Nichts, vielleicht sogar aus dem Aschenbecher, der unbenutzt neben mir stand, Odo auf. „Der Ermittler für temporale Anomalien der Sternenflotte erwartet sie.“ „Danke, dass sie gewartet habe, bis ich mit dem Essen fertig war.“ „Gerne. Wenn sie mir bitte folgen würden.“ Der Constable führte mich unspektakulär zurück zum Büro des Captain, verbeugte sich und verschwand auf die OPS. Die Tür öffnete sich, und Sisko trat heraus. „Viel Erfolg“, sagte er zu mir und gab mir die Hand. „Ich hoffe, alles wird sich aufklären.“ Ich nickte und trat in sein Büro, das nunmehr zwischenzeitlich zum Verhörlager der Abteilung für temporale Anomalien umfunktioniert geworden war. „Ach, schön, dass sie auch schon da sind. Mein Name ist Lieutenant Rice, und das hier ist Sergeant North. Lassen sie uns gleich zur Sache kommen, denn für uns ist Zeit kostbar.“ Er wies mich mit einer kurzen Handbewegung auf meinen Stehplatz vor dem Schreibtisch. „Ich will es so kurz wie möglich machen, also fange ich gleich an.“ Ich stellte mich so bequem wie möglich auf und hoffte, dass er mit der Länge der Befragung recht behalten sollte. „Wissen sie, was an Sternzeit 50213.3 passiert ist?“ „Nein, sollte ich das? Ich habe ja nicht mal eine Ahnung, was in diesem Moment für eine Sternzeit ist“ „Sie scheinen mehr zu wissen, als sie hier zugeben.“ Er erhob sich aus Siskos Kommandosessel und stützte sich mit beiden Armen auf den Tisch. Ich blickte ihn ahnungslos an. „Ihr hochgeschätzter Captain verursachte unverantwortlicher weise eine temporale Anomalie der übelsten Sorte. Er tauchte unvermittelt in Sternzeit 4523.3 auf und hätte beinahe einen interstellaren Krieg zwischen der noch jungen Föderation und dem unberechenbaren klingonischen Imperium ausgelöst. Nur durch das selbstlose Eingreifen unserer Abteilung konnte schlimmeres verhindert werden.“ ‚Ja sicher’, dachte ich, ‚und du persönlich hast die Tribbles aus der Luftschleuse geworfen.’ „Nein, keine Ahnung, nie davon gehört.“ Rice starrte mir einige Sekunden geradewegs in die Augen, als ob er einen Lügendetektor in seine Netzhaut implantiert hätte und damit meinen wahren Kenntnisstand aus mir heraussaugen wollte. Das funktionierte allerdings glücklicherweise nicht, denn natürlich war mir der Zwischenfall mit den Tribbles, bei dem Sisko, Dax, Beshir und O’Brien absichtlich in die Vergangenheit zu Kirk und seiner Enterprisecrew gesprungen waren, bestens bekannt. „Na gut, dann eben nicht“, schnaubte Rice, „ich werde ihnen das fürs erste wohl glauben müssen. Aber sie können uns glauben, dass wir im Zweifelsfall Mittel und Wege finden werden, um wirklich die Wahrheit aus ihnen herauszuholen.“ Ich blickte weiter unbeteiligt, auch wenn ich keinen Wert darauf legte, mit Lügendetektoren und Wahrheitsdrogen konfrontiert zu werden, denn in der Hauptfrage sagte ich schließlich nichts falsches: Ich hatte keine Idee, wie ich hierher gekommen war. Ltd. Rice richtete sich auf und nahm Siskos Baseball zur Hand. Dann marschierte er im Büro auf und ab, wobei er den Ball in enervierender Regelmäßigkeit kurz in die Luft warf, wieder auffing und sofort erneut nach oben drehen ließ. Gelegentlich hielt er inne und blickte einmal mich, einmal seinen Assistenten an, der scheinbar unbeteiligt am Aussichtsfenster stand. Daraufhin nahm er seine sinnlose Beschäftigung wieder auf. Meine Füße fühlten sich nach dem mittlerweile über zwei Stunden währenden im Stehen verbrachten Verhör ein wenig taub an, aber ich hielt mich mit Klagen zurück, ich wollte nicht eine Bestrafung mittels einer Verlängerung der Veranstaltung provozieren. Plötzlich blieb Rice abrupt stehen und deutete mit dem Zeigefinger der Hand, in der er noch den Baseball hielt, auf mich. „Haben sie eine Verbindung zu diesen Wurmlochwesen, den Propheten, wie die abergläubischen Bajoraner sie nennen?“ Mein erster Gedanke war, ‚erstens nein, und außerdem steht es dir absolut nicht zu, über den Glauben der Bewohner Bajors so abschätzig zu urteilen’, aber ich antwortete nicht umgehend, weil mir sofort darauf etwas dämmerte wie, ‚Hm, vielleicht hat der Spinner da eine gar nicht so abwegige Idee’. „Mir ist keine bekannt oder bewusst, aber...“ „Aber was?“ „Na ja, ich weiß nicht so recht. Nur weil ich nichts derartiges bestätigen kann, muss das ja vielleicht nicht bedeuten, dass da nichts existent ist. Übersinnliche zeitlose Wesen, die Portale zwischen verschieden Quadranten der Galaxis bewachen, sind schließlich eine Sache für sich. Man sollte sie nicht unterschätzen, meine ich.“ Der Experte für temporale Anomalien entspannte sich ein wenig, setzte sich wieder auf den Stuhl des Kommandanten und legte den Ball zurück auf den Schreibtisch. „Schon richtig. Das erklärt allerdings nicht, warum die Wurmlochwesen ausgerechnet sie ausgerechnet hierher gebracht haben sollen.“ „Nun, warum fragen wir sie dann nicht einfach?“ „Fragen? Wie sollen wir denn das bewerkstelligen?“ „Hat nicht Captain Sisko einen besonderen Draht zu den Propheten? Schließlich ist er ihr Abgesandter. Sicher hat er eine Möglichkeit, mit ihnen Kontakt aufzunehmen.“ Lieutenant Rice biss sich auf die Unterlippe, schloss die Augen und legte seinen Kopf in den Nacken. Er nickte wieder nach vorne und sah mich entschlossen an. „Gut, einen Versuch ist es schließlich wert.“ Mit einem Fingerdruck aktivierte er die Kommunikationseinheit in der Steuerkonsole hinter sich. „Rice an Captain Sisko.“ „Sisko hier. Sprechen sie.“ „Kommen sie bitte sofort in mein... in ihr Büro.“ „Bin schon unterwegs. Sisko Ende.“ Nur Momente später schwang die Bürotür zu beiden Seiten und Benjamin Sisko trat mit langen Schritten ein. Erwartungsvoll blickte er erst mich, dann Lieutenant Rice an. „Das ging ja schnell“, merkte Rice süffisant an. „Haben sie an der Tür gelauscht?“ Sisko antwortete nicht, sondern blickte lediglich den Inspektor feindselig an. „Sie sind doch angeblich der Abgesandte dieser so genannten Propheten?“ „Das ist der Glaube des bajoranischen Volkes und ihrer spirituellen Führer, das ist richtig.“ „Und diese, diese Propheten haben schon mit ihnen kommuniziert, richtig?“ „Auch das stimmt.“ „Und sie haben die Möglichkeit, mit ihnen Kontakt aufzunehmen, wenn sie es möchten?“ „Man spricht nicht einfach zu den Propheten wie durch eine Kommunikationseinheit. Sie sprechen zu Gläubigen durch Visionen, wenn sie es möchten.“ „Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Können sie mit ihnen von sich aus kommunizieren?“ Captain Sisko ließ sich mit seiner Antwort Zeit. Ihm gefiel offensichtlich die Art der Fragen nicht, und wohl noch viel weniger, dass Rice in seinem Büro an seinem Schreibtisch saß und auch wieder seinen Baseball über die Handflächen rollen ließ. Aber ihm musste klar sein, dass der Inspektor am längeren Hebel saß. „Ja, es gibt eine Möglichkeit, wie ich mit den Propheten sprechen kann. Allerdings besteht keine Garantie, dass sie mir auch antworten werden. Sie sind nicht meine Schoßhündchen, die alles tun, was ich von ihnen verlange.“ „Das stimmt sicherlich“, warf ich ein. „Aber wäre es nicht einen Versuch wert? Wir haben keinerlei Anhaltspunkte, was meine Situation hier betrifft, und die Nähe zum Wurmloch und die Fähigkeiten der Propheten sind doch wenigstens ein Indiz, dem wir nachgehen sollten, wenn es die Möglichkeit dazu gibt. Selbst wenn es fehlschlagen sollte, dann haben wir es immerhin ausprobiert.“ Sisko musterte erst mich, dann den Inspektor, bis er schließlich so etwas wie eine Mischung aus einem Knurren und einem Seufzer von sich gab. „In Ordnung, ich werde es versuchen. Ich werde den Drehkörper befragen und die Propheten um eine Vision bitten. Ich werde in mein Quartier gehen und sie informieren, wenn oder ob ich eine Antwort bekommen habe.“ Damit nickte er mir kurz zu und ließ uns in seinem Büro zurück. Mir wurde damit indessen das endlose Herumstehen vor dem Tribunal zu bunt und ich ging zum Replikator. „Was machen sie denn?“ fuhr Rice mich an. „Habe ich ihnen das erlaubt?“ „Nein, müssen sie das denn? Wovor haben sie Angst, meinen sie, dass ich mir einen Phazer repliziere und mir den Weg freischieße?“ „Das Verhör ist noch nicht beendet, und bis dahin haben sie zu tun, was ich sage!“ „Ach kommen sie. Ich stehe hier nicht vorm Kriegsgericht. Im Moment können wir ohnehin nur auf Siskos Antwort, besser gesagt auf die der Propheten warten. Ich stehe hier seit Stunden dumm rum, während sie sich auf dem Sessel des Captains den Arsch breit sitzen, und jetzt habe ich Durst und lass’ mir eine Tee replizieren, wobei mir ein Bier noch lieber wäre, egal ob sie mir das erlauben oder nicht.“ Ich wandte mich der Steuereinheit im hinteren Teil des Raumes zu. „Einen Becher grünen Tee mit Rhabarberaroma, 85° Celsius, bitte.“ Das Keramikgefäß materialisierte sich vor mir, ich nahm es, ging zu meinem Platz vor dem Schreibtisch zurück und setzte mich im Schneidersitz auf den Boden. „Na gut“, grummelte Rice, „es hilft ja auch nichts, wenn ich ihnen das verbiete. Warten wir also auf Sisko.“ „Vielleicht sollten wir etwas spielen“, schlug ich leicht sarkastisch vor. „Können sie Skat?“ Aber Rice und sein Assistent North, der ohnehin die ganze Zeit nichts von sich gegeben hatte, sahen mich nur mit einer Mischung aus Entgeisterung und Verachtung an. „Schon gut, vergessen sie es. War eine Scheißidee.“ Wieder breitete sich eisiges trübsinniges Schweigen über uns aus. Ich nippte an meinem Tee, dem ein Löffel Honig gut getan hätte, aber ich hatte keine Lust noch einmal aufzustehen und ihn mir zu replizieren. Das hätte nur unnötig meine beiden Wachhunde zum Anschlagen gebracht. Die Minuten verrannen wie der Honig von dem Löffel, den ich nicht in meinen Tee gerührt hatte, ohne dass etwas passierte. Rice saß im Sessel, in der Hand den Ball und tippte ihn im Abstand von fünfundzwanzig Sekunden gegen seine Stirn – als Fachmann für alles temporale musste er offensichtlich über ein perfektes Zeitgefühl verfügen. Auch wenn die gnadenlose Stille wie eine Tarnkappe der Defiant über dem Raum lag, so war sie mir doch lieber als die unsinnigen immer wiederholten Fragen der vergangenen Stunden, denn sie führten ja nie zu einem Ergebnis. Genauso gut hätte man einen Stein verhören können und versuchen, ihn dazu zu bringen, „Like A Rolling Stone“ zu singen, oder einem Ochsen einzureden, Ziegenmilch zu geben. Kurz nach dem sechsundsiebzigsten „Pock“ des Baseballs an der Stirn des Inspektors öffnete sich endlich wieder die Schiebetür zur OPS zur Seite. Captain Sisko trat ein und wirkte, als würden ihm die Haare zu Berge stehen, wenn er denn nicht eine Glatze hätte. Ich stand sofort auf, und auch Rice erhob sich, North hingegen hatte ohnehin die ganze Zeit in der vertikalen verbracht. „Nun, haben sie mit den Wesen gesprochen? Haben sie ein Antwort erhalten?“ Der Verlust der Contenance von Rice überraschte mich, besonders weil er die ganze Zeit zuvor so stoisch geschwiegen hatte. Sisko ignorierte ihn und ging statt dessen auf mich zu. „Die Propheten haben zu mir gesprochen. Erstaunlich. So offen habe ich sie noch nie zuvor erlebt. Sehr ungewöhnlich.“ Er holte tief Luft, wobei er einen kurzen Blick auf Rice warf, dessen Hände leicht zitterten, vielleicht vor Furcht, vielleicht vor Aufregung. Doch er schwieg und wartete, dass der Captain fortfuhr. „Ja, die Propheten sind dafür verantwortlich, dass sie sich in unserer Zeit aufhalten.“ „Das war ja klar. Wenn es die nicht gäbe, hätten wir wesentlich weniger Scherereien“, murmelte Rice, aber ein bohrender Blick von Sisko ließ selbst ihn zusammenzucken. „Allerdings, und das ist das außergewöhnliche daran, war das ein Versehen. So haben sie es mir in meiner Vision mitgeteilt.“ „Ein Versehen? Meinen sie, dass gar nicht ich hier sein sollte, sondern jemand ganz anderes?“ „So in der Art, ja. Die Propheten suchten jemanden, der mir in meiner Funktion als Abgesandter zur Seite stehen sollte, weil ein Krieg unmittelbar bevorsteht, und ich mich zum Wohle aller Verbündeten, zu denen auch die Propheten gehören, auf die weltlichen Dinge konzentrieren können muss.“ „Und nun haben die Propheten gemerkt, dass ich nicht gerade der richtige Kandidat für eine spirituelle Identifikationsfigur bin.“ Sisko blickte mich, verblüfft wie mir schien, an, dann musste er lächeln. „Das waren nicht ihre genauen Worte, aber sie treffen den Kern des Problems. Ihr Parkh ist nicht stark genug, einmal ganz davon abgesehen, dass es sich für eine bajoranische Glaubenspersönlichkeit nicht gehört, Dabo zu spielen, geschweige denn haufenweise Latinum beim Glücksspiel zu gewinnen – selbst wenn man sie einem Ferenghi aus der Tasche zieht.“ „Und wie lösen wir jetzt die Sache?“ schaltete sich der Inspektor wieder ein. „Bringen die Wurmlochwesen die Sache wieder in Ordnung?“ „Das werden sie. Sie schicken unseren Gast wieder zurück in seine Zeit, und er wird sich an nichts erinnern können.“ „Und wann wird das geschehen?“ Eigentlich fand ich es schade, dass ich schon bald wieder zurück sollte, obwohl ich noch lange nicht alles von der Station gesehen hatte. „Sofort natürlich!“ rief Rice, „sie haben schon viel zu viel aus der temporalen Linie gebracht.“ „Aber da ich mich ja sowieso an nichts erinnern kann, wenn ich wieder in der richtigen Zeitlinie bin, wäre es doch ganz schön, wenn ich noch ein klein wenig länger bleiben könnte. Warten sie, ich habe da einen Vorschlag.“ „Und der wäre?“ „Wissen sie, ich habe heute Abend eine Verabredung mit Lieutenant Commander Dax in der Holosuite. Ich würde sie nur ungern versetzen. Danach lasse ich mich dann von den Propheten zurück in meine Zeit schicken, wie auch immer das funktioniert. Was meinen sie?“ Inspektor Rice sah erst Sisko, dann seinen Assistenten North, und schließlich mich an. „Ausnahmsweise, aber auch nur, weil sie unschuldig an der Situation sind und sich an nichts erinnern werden. Aber sagen sie es nicht weiter.“ Zum ersten Mal entdeckte ich so etwas wie Humor bei ihm. „Sisko, sie tragen die Verantwortung dafür, dass die Propheten ihn auch wirklich wieder in seine Zeit senden. Kommen sie North, wir gehen zum Shuttle.“ „Jawohl, Lieutenant.“ Das waren die einzigen Worte, die ich die ganze Zeit vom Assistenten vernommen hatte, und wenn das alles war, was er zu sagen hatte, dann fragte ich mich, welchen Sinn seine Anwesenheit überhaupt gehabt hatte. Er trottete seinem Vorgesetzten hinterher und die beiden verließen das Büro in Richtung der Andockrampen. „Die wären wir los.“ „Nun, vielen Dank Captain. Stimmt das wirklich, was die Propheten ihnen gesagt haben?“ „Ja, in der Tat. Manchmal können auch die Götter sich irren.“ „Das ist zum einen beruhigend, zum anderen bin ich darüber aber auch recht froh. Denn die Propheten haben Recht: Mein spirituelles Potential ist zwar vermutlich höher als Quarks, aber möglicherweise würde Morn einen besseren Job machen. Aber ich bin dankbar, dass sie mich zumindest in Erwägung gezogen haben – und mich jetzt auch wieder zurückkehren lassen.“ Sisko lächelte verschmitzt und geleitete mich aus seinem Büro, das ihm nun wieder ganz allein gehörte. „Viel Vergnügen heute Abend mit dem alten Mann. Sehen sie sich vor, er ist hart im Nehmen.“ „Das werde ich Captain, Danke. Es hat mir hier gefallen aber na ja, ich muss wohl im Endeffekt noch so einiges lernen. Aber ich hab ja noch ein paar hundert Jahre Zeit.“ Benjamin Sisko nickte mir zu, dann schloss sich die Tür zu seiner Kommandozentrale mit dem typischen Zischen, und das war das letzte Mal, dass ich ihn leibhaftig sah. Ich ging zum Promenadendeck, denn ich hatte seit Stunden nichts mehr gegessen und mir hing der Magen bedrohlich tief. Dax kam mir wie durch Zufall entgegen. „Hallo, da sind sie ja. Haben sie alles gut überstanden?“ „Ja, sicher. War nicht so schlimm, aber meine letzte Mahlzeit ist Ewigkeiten her und ich habe mir auch nur durch rebellisches Verhalten eine Tasse Tee erzwingen können. Ich schätze mal, dass es hier kein Restaurant gibt, in dem ich ein gut gezapftes Guinness und eine gegrillte Dorade bekommen kann? Das würde mich für den Rest des Abends zumindest kulinarisch ruhig stellen.“ Dax strich sich nachdenklich über ihre bezaubernden Flecken. „Ich wüsste nicht, wo sie das in diesem Sektor der Galaxis bekommen könnten. Damit müssen sie wohl warten, bis sie wieder in ihrer Zeit sind. Bis dahin kann ich ihnen ein kleines bajoranisches Bistro empfehlen – das ist vegetarisch oder mit frischem Fisch von Bajor und zauberhaft lecker.“ „Das klingt gut, lassen sie uns dort etwas essen. Ein paar Bier können wir uns ja auf dem Weg zur Holosuite replizieren.“ „Hervorragend, dann lassen sie uns gehen.“ In dem Bistro gab es einen köstlichen Süßwasserfisch namens Unrabi, zart wie ein Karpfen, nur ohne die vielen Gräten und dabei aromatisch wie irischer Wildlachs. Als wir aufgegessen hatten machten wir uns beschwingt auf den Weg zu Quarks Holosuite, wobei wir noch bei einem der fliegenden Händler einige Karaffen eines bierähnlichen Getränks erstanden. Dann gingen wir zu Quark, der uns so missmutig ansah, wie nur ein Ferenghi es beherrscht. „Hier ist ihr Chip für Holosuite 3“, grantelte er und reichte mir die Karte, noch bevor ich etwas sagen konnte. „Vielen Dank“, entgegnete ich bewusst höflich, „das wird auch das letzte Mal sein, dass ich sie belästigen werde.“ „Beim großen Nagos, das ist die beste Nachricht, die ich seit einer Woche gehört habe.“ „Wenn der Kunde geht, geht auch der Profit“, erwiderte ich. „Ferenghi-Erwerbsregel 122“, fügte Jadzia hinzu und grinste mich an. Ich verbeugte mich leicht, dann ließen wir ihn links liegen und stiegen die Treppe hinauf in die Holosuite. „Da bin ich ja mal gespannt, was für ein Programm sie uns da herausgesucht haben.“ „Das bin ich allerdings auch, denn ich habe den Computer entscheiden lassen.“ Ich steckte den Chip in den dafür vorgesehenen seitlichen Schlitz, die Tür glitt zur Seite und wir traten ein. Der Computer hatte keine schlechte Wahl aus seiner riesigen Datenbank getroffen. Es war ein lauer Sommerabend, ein sanfter warmer Regen fiel, und das Neonschild des Roxy in Los Angeles leuchtete uns auf der anderen Straßenseite entgegen. Wie Perlen an einer Schnur aufgereiht standen Menschen vor dem Eingang und hofften, noch eines der begehrten Tickets zu ergattern, obwohl in großen Lettern ‚Sold Out’ über dem Eingang prangte. Bei dem Anblick fühlte ich an die Gesäßtasche meiner Jeans, und wie von Zauberhand hinterlassen steckten dort zwei Eintrittskarten. Ich zog sie hervor und hielt sie Dax unter die Nase. „Bruce Springsteen and the E Street Band. The Roxy. Sunset Boulevard. July 7, 1978. Na dann wollen wir mal sehen, was ihr Held aus der Vergangenheit so zu bieten hat.“ Wir gingen an der Schlange vorbei, wobei die Wartenden in weißen Schlaghosen und geringelten Pullovern erstaunt auf die Flecken an Jadzias Hals schauten und das wohl für eine besonders extravagante Tätowierung hielten. Dax hakte sich bei mir unter und wir traten ein. Der Saal war eng, niedrig und voller Menschen mit im 22. Jahrhundert wunderlich anmutenden Frisuren, die aufgeregt miteinander redeten und eine Geräuschkulisse wie in einem Bienenschwarm erzeugten. Die Trill kicherte entzückt, wir gingen zur Bar, bestellten uns ein Budweiser und drängelten uns dann in Richtung Bühne. Plötzlich ging das Licht aus und Bruce stürmte die Bühne. „Ah one two three four, A weh-aheh-aheh-ell, the little things you say and do, make me want to be with you-oo-ooo...“ Ungezählte Stunden später hallten die letzten Takte von „Twist And Shout“ noch wider und der Geruch von Jadzias Parfum vermischt mit dem Schweiß von Hunderten entfesselt tanzenden Menschen aus der Vergangenheit lag noch in der Luft, als ich in meiner Hamburger Wohnung aufwachte. |
|
||||||||||
(c) 2013 www.haukepreuss.de |