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You never can tell in this country.

V/8/95

Was es ansonsten noch an Killarney zu bemerken gibt ist, dass man es sich nicht unbedingt noch einmal geben muß – ‚Ring of Kerry, schön und gut, eigentlich auf jeden Fall einen Tagesritt wert, wenn man aber bedenkt, dass Killarneys Touristen zu einem nicht ganz so hohen Prozentsatz aus Deutsche besteht wie der Brackeler Dorfkrug, so müsste man sich schon einen Walkman mit einer (natürlich gerade am Abend vorher so gegen 9.30 pm in Killarney gekauft) Kassette von Paddy Malorney, den Chieftains oder den Dubliners aufsetzen, um nicht die ganze Zeit das neunmalkluge Gequake der ach so volkstümlichen Nationsgenossen mitanhören zu müssen. Selbstverständlich tut die Stadt auch ihr übriges dazu, die Fliegen (in Form von Touristen) mit ihrem Honig (also sogenannten Touristenattraktionen) anzulocken. Sicher, auf den ersten Blick ist es ein netter Service des (5km entfernten) Youth Hostels, bei Ankunft eines jeden Zuges mit dem kostenlosen Bus aufzuwarten und direkt in die Herberge zu fahren. Auf den zweiten Blick ist das dann auch verständlich: 50 Meter weiter links das Killarney Town Hotel, und ist man erst mal über die Kreuzung rüber, müsste man als Fußgänger ziemlich auf der Hut sein, um nicht von B + B-Schildern in die Ecke gedrängt und über den Haufen gerannt zu werden. Wie gut, dass ich mich schon entschieden habe, das freundliche Angebot des An Oige anzunehmen, und mit 6.50 punt kann ich da auch noch leben, so teuer war’s in Cork schließlich auch, und die Matratzen sind hier (wenn auch nur unwesentlich) besser.
Der Bus am Abend downtown kostet dann 1 punt, und der erste Eindruck verstärkt sich noch, wenn man ein wenig tiefer in die Szene eindringt: pretty stupid, wie der Engländer sagen würde, ich sage nur: Touristen verzieht euch, ich will hier ja auch nicht länger bleiben! Und das, was man als einen kleinen, gemütlichen Pub bezeichnet, gibt’s hier auch nicht. Der eine ist groß und hat ne Harley im Hinterzimmer, spielt zwar illegale U2-Scheiben, kümmert sich aber nicht darum, ob man nun was trinken will oder nicht und befördert allzu trunkene Gestalten einfach per Arschtritt hinaus, bevor sie überhaupt eingetreten sind. Der andere brüstet sich damit, dass er vom Stadtrat schon dreimal eine Urkunde bekommen hat, in der die wundervolle Fassade als herausstechendes Merkmal im Stadtbild von Killarney gepriesen wird. Hinter dem Tresen eine hochgeschossene Gestalt, der auch mein Getränk vergisst, später leicht genervt vor dem plötzlichen Andrang der Massen beinahe kapitulierend (dank der Hilfe seiner Kollegen wird das drohende Unglück aber noch einmal abgewandt), außerdem noch ein 70 cm Fernseher mit einer höchst fesselnden Übertragung eines Dartspiels. Das ist wirklich toll und beeindruckend: zwei gesetzte Herren werfen mit bunten Pfeilen auf eine Scheibe der Größe einer Riesenpizza. Beide sind darauf aus immer den Tomatenstreifen des Stückes mit der 20 drauf zu treffen, was auch einigermaßen oft gelingt, und weswegen auch die Kamera der Kollegen von Sky Two im allgemeinen auf das Segment gerichtet wird. Ab und zu, und das spannende ist gerade, dass man nie weiß, wann das sein wird, wirft aber einer der beiden ganz woanders hin (meistens auf die 19, die ist eher unten links angesiedelt; die 20 ist oben Mitte), und dann ist der verdutzte Kameramann erstmal am Suchen. Daß die beiden Werfer, deren Blick auszudrücken scheint, dass sie die Pfeile lieber im rechten Lungenflügel des Gegners versenken würden als in der Pizza an der Wand, den armen Kameramann so ärgern, hat seinen Grund. Beide haben am Anfang 501 Punkte, und die wollen sie so schnell wie möglich wieder loswerden. Ganz einfach eigentlich, immer auf die 3x20 und dann einen nach rechts, wo nämlich die eins liegt, dachte ich, aber so leicht ist das dann doch nicht. Der Wurf, der zur null führt, muß nämlich in der grünen Peperoni landen (wenn die Iren wüssten, was Peperoni ist...), welche nämlich den Multiplikator 2 bedeutet. Also muß irgendwann zwischendurch mal eine ungerade Zahl auftauchen, sonst klappt das ja nie. Und wenn dann irgendwann jemand mal richtig genullt hat, geht das ganze von vorne wieder los, solange bis entweder einem der Arm abfällt, ein Pfeil doch mal den Lungenflügel durchbohrt, oder, offiziell betrachtet, der erste das 25. Mal eher fertig wurde. Das habe ich mir dann aber nicht mehr ansehen müssen, sondern hab lieber mit Susy aus Dublin noch ein paar Schimpfwörter ausgetauscht (leider habe ich ihr die chinesische Fassung von „Fuck Off“ nicht erzählen können)
Limerick – 2nd hand information zufolge die finsterste Stadt Irlands, die drittgrößte nebenbei auch noch, ist Luftlinie vielleicht 60 km von Galway entfernt – man sollte folglich meinen können (und die Straßenkarte suggeriert es auch) es wäre kein Problem, von Süden kommend direkt an der Westküste entlang durch Limerick nach Galway zu gelangen – aber hätte der Hund nicht geschissen, hätte er den Hasen gekriegt. Stattdessen zurück nach Limerick Junction, etwa 20 km südlich irgendwo in der Pampa aus dem Boden gestampft, und sinnigerweise zurück Richtung Dublin – kurz vorher ausgestiegen und in Kildare Zwischenstopp. Jock Stewarts Hund wurde inzwischen begraben (gute Frage, warum er ihn den überhaupt erschossen hat – vermutlich aus dem oben genannten Grund), aber leicht und frei bin ich trotzdem in wohl dem ersten bodenständigen Pub meiner Tour – mit fliegen umflogenen Pferdehalftern an der Decke, unbequeme kleine Eiche-lackiert Hocker und Tische auf dem Boden und ‚Up Kildare’ Fahne an der Wand, na ja und die obligatorische pint o’Guinness (1.80 – das billigste bislang, glaube ich) vor mir, wartend auf den 5.30 pm to Galway. Hoffe ich einfach mal, dass ich, wenn ich dann so um 8.30 da bin, noch irgendwo ein Bett (vorzugsweise in der Jugendherberge, versteht sich) bekomme.
Noch ein Satz über das Leben in Irland (:von einem alten Australier, der die ganze Zeit, in der wir in Killarney auf den Zug warteten, seine noch nicht ganz trockenen Socken in der Gegend herumtrug: „Last night I had some things out, and the next morning they were bone-dry. And this morning, my socks are still wet. You never can tell in this country.“
Dublin ist aber irgendwie immer wieder doch das Zentrum Irlands, auch wenn das rein geographisch erwiesenermaßen nicht ganz richtig ist, doch wenn selbst an den Stationen, an denen ein Zug eigentlich vorbeifahren sollte, er laut Fahrplan gar nicht existiert, dann fährt doch bestimmt irgendwann einer aus Dublin los (und wie es der Zufall so will genau so, dass ich ihn auch noch erwische)

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