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Klospülungen in Westport.

VII/8/95

Doch noch einigermaßen glücklich in Westport angekommen, Bett bekommen und für 3 Nächte in Beschlag genommen – und sich über das erste wirkliche dieser Art seit Beginn wirklich königlich gefreut, und auch echt ziemlich fest & tief & erholsam & gut geschlafen, so dass mir der Proust’sche Aufwacheffekt relativ gleichgültig blieb auch wenn es in dem Falle eigentlich überall gewesen sein könnte. Geplant war dann eigentlich ein entspannter Trip nach Achill Island auf den Spuren Heinrich Bölls per Bus, der um 12.15 am vom Octagon at City Square losfährt – bloß heute nicht, weil, wie bereits erwähnt, Bank Holiday ist, und somit Ausnahmezustand in Irland – trotzdem sind sind die meisten Geschäfte ganz normal geöffnet, schließlich warten draußen zahlungskräftige Touristen auf schöne Angebote (allerdings sind wirklich schöne Sachen dabei, zum Beispiel eine recht große Auswahl an Strickpullovern (sweaters) und, auch wenn Westport da nicht der einzige Ort ist) das Sortiment an irischer Musik ist durchaus ansprechend, nur die Preise (hier für eine CD 13 punt – 16 punt) müssen noch eroiert werden. Was meine Anstecknadel betrifft, so bin ich auch hier noch nicht fündig geworden, lediglich Ohrringe (14 punt, dafür auch sehr filigran gefertigt) sind mir hier zu Augen gekommen. Alles in allem ist es hier – vergleichsweise mit Galway oder Cork City – angenehm ruhig, allerdings wesentlich überfüllter und bevölkerter als eine 3000 Seelen Stadt (wenn man denn von einer Stadt sprechen würde) in Deutschland. Westport hat als einzige als solche ausgezeichnete Sehenswürdigkeit das ‚Westport House’, welches auf der einen Seite als ein irisch-englisches Herrenhaus aus dem 18. Jahrhundert in idyllischer Herrenhauslage mit diversen Golfplätzen, Laubwäldern und Flüsschen am Hafen von Westport erbaut wurde. Auf der anderen Seite wird ein großer Teil der Fläche inzwischen als Freizeit-Erlebnispark für Kinder ge- beziehungsweise missbraucht. Golf für Anfänger, Ponyreiten, Rundfahrten mit der Minibahn durch den Forst, und dazu noch herumschippern auf den Flüsschen in Ruderbooten und etwa 10 mal so großen Schwänen – wie froh war ich, als ich das Gelände verlassen konnte, ohne dass Lohengrin singend aufgetaucht war! Nichtsdestotrotz ist der Hafen durchaus sehenswert. Seine alten Fischerhäuser am Pier aufgereiht, die Boote angelegt und der Blich auf die Clew Bay mit den Bergen im Hintergrund laden durchaus zum verweilen ein, auch wenn der 1990 gegründete Angelclub Westport das beinahe romantische Bild ein wenig stören wollen.
In diesem Pub lässt sich eine nahezu geniale Methode des Wassersparens beobachten (McCarthy’s) – Die Pissoirs der Herren haben alle einen gemeinsamen Abfluss in eine Rinne ohne Spülung. Geht der gepflegte Herr sich allerdings die Hände waschen, so führt der Abfluß des Waschbeckens direkt in die Abflussrinne der Pinkelbecken - und spült so den unangenehm riechenden Harn fort in den Abfluß. Eine brilliante Idee, die auch für den Hausgebrauch in Erwägung gezogen werden sollte, allerdings sollte man bei Stuhlgang doch noch ein extra Reservoir bereithalten.
Irische Freundlichkeit und Höflichkeit zeigt sich auch beziehungsweise gerade in den kleinen Dingen. Da in einer irischen Bahnstation abgesehen von Dublin keine Zugankündigungstafeln die Abfahrten der Züge bekannt geben, muß der (im allgemeinen einzige) anwesende Bahnangestellte kurz vor Einfahrt des Zuges über Lautsprecher bekannt geben, von wo der Zug kommt, wohin er fährt und wo möglicherweise in andere Stationen Reisende zu diesem Zwecke umsteigen müssen. Ein selbstverständlicher Service. In den Zügen selber wird normalerweise auch die nächste Station angekündigt. Während in deutschen Zügen bzw. S-Bahnen ein muffeliger Typ irgendetwas Merkwürdiges wie ‚Veddel’ oder ähnliches in das Mikrophon murmelt, ein freundlicherer sich noch ein ‚nächste Haltestelle: Hammerbrook’ durchringen kann, so wird auch noch beim schlechtgelauntesten irischen Zugansager die Auskunft lauten: „May I have your attention, please, next Stop is at Athlone, passengers going to Westport please change here, this trainis going via Tullamore, Kildare to Dublin Heuston. Snacks and beverages are available in the cabin at the front of the train. Thanks for your attendance.“ Es kann ihm natürlich herzlich egal, ob auch nur einer der Mitfahrenden ihm zugehört hat, aber er bedankt sich trotzdem dafür.

- Überlegung zum ‚echt irischen’:
In den Städten, in denen ich bisher war, ist es schwer zu sagen, ob die vielbesungene, vielbeschriebene, vielgerühmte irische Gastfreundschaft nicht nur eine Mär aus Irland-Reiseführern ist. Alle Postkarten, die typische irische Landschaften und Pubs und ähnliche ‚typisch irische’ Dinge zeigen, sind mit Sicherheit überzogen und idealisiert. Alle Lokalitäten, die ich bisher aufgesucht habe, sind von einem Geiste ‚yet another tourist’ erfüllt, der es zwar nicht ausschließt, dass es eine irische Gastfreundschaft gibt, diese aber (wie in allen von Tourismus lebenden Gebieten auf der ganzen Welt) zumindest während der Hauptsaison aber größtenteils zugunsten der Profitgier auf Eis liegt. Youth Hostels sind von ihrer Idee her darauf ausgelegt, Touristen aufzunehmen (genau wie B + B’s innerhalb größerer Städte), folglich kann man bei teilweise 140 Gästen pro Nacht nicht irgendwelche besondere herzliche Gastfreundschaft der Herbergseltern erwarten. Weniger der Besucher der Pubs (auch, zugegebenermaßen in größeren, von Touristen mehr besuchten Städten) fühlen sich geneigt, einem Neuankömmling mehr als nur ein Ohr zu leihen (ob das nun wirklich am Desinteresse der Iren oder an der Wortkargheit des Ankömmlings liegt, ist allerdings nicht genau nachvollziehbar) Die Geschäfte, wie teilweise bereits erwähnt, bieten für den Touristen alles mögliche ‚typisch irische’ wie Aran Sweaters, ‚Guinness’ shirts & caps, postcards, books from famous irish writers (die trotz allem Wirbel noch das wahre Irische bleiben), irish handicraft, celtic sunstones, und vieles mehr feil, sind natürlich alle offen für visa, barclay, euro & american express cards, alles was das Herz begehrt, und ziehen daraus durchaus ihren Profit, was einer ziemlich armen Nation wie den Iren natürlich zu gönnen ist, aber einen Blick auf das ‚typisch irische’ bietet es trotzdem nicht.
Also bleibt die Frage, ob man so, ohne Vorwarnung, trotzdem auf Menschen stoßen kann, die, ohne zum Klischee zu werden, ‚typisch irisch’ sein können, wo man sich wohlfühlt, ohne den Hintergedanken, dass der Mensch dort doch bestimmt noch ein paar punt mehr loswerden will, sondern einfach so, wie W.B. Yeats es formuliert hat, just ‚a friend you’ve never met’. Weiter überlegt, ob man so, auf Zufall, dazu wirklich nach Irland fahren muß, oder ob es diesen Schlag Menschen nicht auch auf jeder anderen Stelle der Welt gibt, wenn auch nicht in diesem Ausmaße (um keinen der anwesenden Iren zu beleidigen), zumindest ist das Yeats-feeling noch nicht so ganz auf mich übergesprungen (diese Klammer ist eigentlich überflüssig). Trotzdem glaube ich, dass ich versuchen werde, mich etwas in das ‚Common Yeats’ – Feeling einzufühlen, denn ich erachte W.B., auch wenn ich nur wenig von ihm kenne, für einen der ziemlich großen der Iren, zumindest einen, der es wert ist, genauer und tiefer untersucht zu werden, zumal seine Heimatstadt Sligo nicht so weit entfernt ist, und sein Grab damit ebenso.

6. August
8. August


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