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Yeats vs. Joyce.

IX/8/95

Yeats vs. Joyce
Ein Komposium in 3 Akten
Dramatis Personae:
William Butler Yeats (1865 – 1939)
James Aloysius Joyce (1882 – 1941)

I

YEATS: (sitzt am Lough Gill, beobachtet ‚The Falling of the leaves’, widmet dieses zum ersten Mal ‚To an Isle in the water’, und bemerkt nebenbei, dass am Brighton Square schon wieder ein kleiner Schreihals die Bevölkerung vermehrt) (murmelt) dass ich mit 16 so was schon mitkriegen muss... der macht ja soviel Lärm, dass ganz Irland davon aufwacht... aber wo war ich stehen geblieben? The Hour of the waning of the love has beset us / And weary and worn are our sad souls now... doch, das gefällt mir.
JOYCE (30 Jahre später, nach langen Kämpfen um die Veröffentlichung der ‚Dubliners’, inzwischen lange den Iren den Rücken gekehrt in Triest Schüler an der Naser herum führend) (mit einem Glas Wein in seinem Lieblingscafé) „auch wenn das Stück von diesem Typen, den der Yeats da unterstützt, nichts taugt, immerhin regt es die Iren auf.“

II

YEATS (Dezember 1923, in Stockholm, den Nobelpreis für Literatur entgegennehmend)
(feierlich) ...und bedanke mich hiermit im Namen des irischen Folkes und seiner Kultur und Geschichte für diese große Auszeichnung...
JOYCE (in Zürich, am Radio, zu Nora): Schwätzer
YEATS: ... in der Hoffnung, dass es eine Ermutigung für die irische Literatur sein wird, zu ihren Wurzeln zurückzukehren. JOYCE (noch in Zürich, ab und zu auch in Paris, im ständigen Kampf mit diversen, unter anderen auch irischen Behörden, die sein 1922 erschienenes Jahrhundertwerk „Ulysses“ als pornographisch klassifizieren wollen):
Dem Iren, der Loyalität heuchelt, stecken sie die Preise nur so zu, dem Iren, der ehrlicherweise das Exil sucht, verbrennen sie auch noch die Bücher.

III

YEATS (der klare Verstand von dünner Luft im ‚The Tower’ etwas geschwächt, von langen Fingerndes Oberpriesters Aleister Crowley in den okkultistischen ‚Golden Dawn’ in sinistre Gefilde gezogen, und deswegen zwischenzeitlich zumindest scheinbar erleuchtet)
(In einem überfüllten Londoner Geschäft) And twenty minutes more or less / It seemed, so great my happiness / That I was blessed and could bless
JOYCE (Inzwischen wieder in Zürich, „Work in Progress“ nahm langsam Formen des „Finnegans Wake“ an, seine Augen hingegen wurden trotz diverser Operationen immer schwächer, was sich aber nicht auf sein Gedächtnis und die Erinnerungen an Dublin und seine Lokalgeschichte, geschweige denn seine Geographie auswirkt)
‚Riverrun, past Eve & Adams, from swerve of shore to bend of bay, brings us by a commodius vicus of recirculation to Howth Castle & Environs. Jetzt habe ich es!

Epilog:
YEATS: (1939 gestorben, immerhin 73 Jahre alt, wird 1948 von Frankreich nach Drumcliffe befördert und dort begraben – sein Grabstein besagt: Cast a cold eye / on life, on death / Horseman, pass by!
JOYCE: (1941 gestorben, nur 59-jährig, in Zürich, und spürte kein Verlangen danach, in irischer Erde beigesetzt zu werden. Später taucht sein Konterfei auf den 10-Pfund Scheinen auf – mit dem ersten Satz des „Finnegans Wake“ auf der Rückseite.

Das im Groben zum Thema Yeats & Joyce, wo ich nun schon mitten in Yeats Country stecke, und sogar trotz schmerzender Ferse oder Achillessehne die 5km hin und 5km wieder zurück zum Lough Gill und der Lake Isle of Innisfree auf mich genommen habe. Sehr nett dort unten, buchstäblich der Ort, in dem man romantische Gedichte über Hütten und Sonnenuntergänge auf kleinen Inseln schreibt, wenn man denn Zettel und Stift dabei hat. Der See selber liegt geschützt eingeschlossen von sanften Bergen, rundum bewachsen mit Laubgewächs, und in seiner Mitte selbstverständlich die kleine Insel W.B.Y.’s. Fische, welcher Art kann ich leider nicht sagen, schwimmen auch im See herum, dazu noch Wasserschnecken, Wasserflöhe, Blutegel und ähnliches Getier, was man in einem intakten See erwartet.
Es gibt noch immer keinen Regen in Irland, solange ich hier bin, und die Trockenheit ist hier inzwischen so ausgeartet, dass im Radio durchgegeben werden muß, dass in bestimmten Regionen, die davon besonders betroffen sind, mit dem Wasser besonders gespart werden muß und nicht für Nebensächlichkeiten wie Gartenbewässerung und Autowaschen verschwendet werden soll. Die Menschen in den größeren Ansiedlungen freuen sich jedoch augenscheinlich noch über den Sonnenschein, nach allem was man hört, und auch der Wochenends- und Feiertagsverkehr hätte bei ‚normalem’ (was uns Postkarten und Reiseführer so suggerieren wollen) Wetter hier wesentlich weniger hektisch abgehalten werden können.
Die Preise, wenn man weiter in den Norden vordringt, fallen langsam, was mit dem Nachlassen des Tourismus einhergehen mag (dadurch macht sich auch eher das Gefühl breit, dass man hier in Irland ist – die dominierende Sprache ist inzwischen vom Deutschen zum englischen übergewechselt – welche Entspannung!)
Hier in Sligo war der Niedrigstpreis für pint o’guinness 1.75 punt – 5p unter dem bisherigen Rekord in Westport (wo ich durch mein ständiges Geschreibe mächtig Eindruck auf eine Landlady gemacht habe – ständig erkundigte sie sich, wie es mit meinem Schreiben stände, ob ich den auch genug Licht hätte – es ist schon gut, wenn man Künstler ist... nett war sie aber wirklich)

Die Falle
Hinaufschauend, und den Blick erhoben
Der Reinheit des Himmels zugewandt
Dem grün und grau des Tales abgewandt
Klarheit des Geistes und der Gefühle Quelle
Die Wirkung der Liebe an der Sorgen Stelle
Die Freude dem Schmerz voran geschoben

Lasse ich damit unseren Streit zurück
Der von nichts kam und zu nichts führte
Mich wider jeder Vernunft zutiefst berührte
Ungewollt in die Extreme der Angst hinein lief
Horizonte der Hoffnung hingen ständig schief
Und nichts deutete hin auf ein wenig Glück

Aber letztlich durch deine Falschheit
Oder vielleicht durch meine unnötige Pein
Du machtest keinen Versuch eines Anscheins
Lief ich in deine immer offene Falle
Eines Tages erwischst du sie alle
Ich denke, aufzuhören war es höchste Zeit

Doch die Fäulnis im Munde bleibt
Und die Möglichkeit zu vergessen
Wird Tag für Tag neu vermessen
Das was übrig ist bei ausreichender Betrachtung
Ist der Glaube an die Selbstachtung
Und schließlich ist mein Geist frei


Wie der Pfad sich durch die Wiesen schlängelt

Der Wind einer neuen Welt in den Haaren
Der Duft einer neuen Erfahrung
Die Gedanken an sie fern von hier
Die Erinnerung an sie stets bei mir

Die Bedeutung des Glanzes ihrer Augen
Das wichtige im Lächeln am morgen
Die Süße ihres Kusses vor dem Abschied
Das Verlangen nach ihr wenn sie fort ist

Das Schimmern der Haare in der Sonne
Der zarte Schatten ihrer Figur
Der sanfte Blick in die Ferne
Das Spiel einer Strähne um ihr Gesicht

Könnte ich hier doch ihre Küsse schmecken
Ihre Haut riechen im warmen Sommerwind
Ihr süßes Wort in meinen Ohren
Den sanften Blick in meinen Auge ruhend

Doch ich bleibe hier in der Ferne
Fern der Freuden, die mich erwarten
Harre der Dinge, die auf mich warten
Von dir und von deinem Vertrauen


Der Schatten des vorigen Tages

Kurz bevor es Nacht wurde
Eine Nacht der Klarheit vor dem Herrn
Wanderten meine Gedanken noch kurz hinfort
Schlingerten auf dem bierbefleckten Fußboden
Ins Land der nicht aufnehmbaren Zahlen

Als es schließlich Nacht wurde
Die Nacht der Schwärze des Flüssigen
Und die Gedanken waren wieder bei dir
Flüchteten durch den gesprächgeschwängerten Raum
Ins Land der schwer verständlichen Flüche

Mitten in der tiefen Nacht
Die Nacht an der Stätte der Lyrik
Die Gedanken kleben an dir noch immer
Wie die Fliegen am Honig
Und so klebe ich an dir

Ach, wüßtest du von meinem Sehnen
Dem Verlangen, das ich von hier aussende
Wäre es besser, dich zu vergessen
Die Sehnsucht in meinen Hafen zu lenken
Nur die Hoffnung tief in mir

Sollte ich statt dessen es schließlich wagen
Dir der Umstände zum Trotz es anzutragen
Trotz der schrecklichen Entfernung
Wären wir letztlich glücklich
Ich wollte dich dann fragen



8. August
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